"Über den Tellerrand" – Entwicklung durch vernetztes Arbeiten

Nach vielen Jahren als Teilbereichsmeister im POVAL-Betrieb im Bereich Process Engineering / Training & Education war es für Fernando Mancilla-Pantoja an der Zeit, mal etwas Neues auszuprobieren. 

Das Thema Digitalisierung interessiert ihn schon lange, schließlich hatte er vor einiger Zeit bei der Einführung des OTS-Simulators im POVAL-Betrieb mitgeholfen. Dieser versetzt die Kolleginnen und Kollegen in der Anlagensteuerung in die Lage, den Betrieb der Destillationskolonnen zu simulieren und deren Reaktionen auf Veränderung verschiedener Parameter, z.B. Druck und Temperatur, im digitalen Modell nachzubilden –ein tolles Werkzeug zum Lernen und auch zur Vorbereitung auf etwaige kritische Situationen. 


Von Juli bis Dezember 2020 war Fernando Mancilla-Pantoja im Einsatz bei OBS im bei der KEG noch jungen Bereich Digitization & Lean Management unter der Leitung von Astrid Geue. Das Timing war gut, denn der POVAL-Betrieb ist dabei, den Prozess der Digitalisierung weiter voranzutreiben: durch einen definierten Ansprechpartner für Digitalisierungsthemen im Betrieb können alle diesbezüglichen Anfragen, Aufgaben und Projekte zentral gebündelt werden, daher hat seine Vorgesetzte, Johanna Schneider, seine vorübergehende Versetzung gern unterstützt. 

Unser Kollege besitzt sehr gute Kenntnisse über die POVAL-Anlage, und sowohl allgemeine und sehr spezifische Anwendungen als auch Bedarf an IT-gestützten Lösungen und Schnittstellen sind ihm aus seiner täglichen Arbeit heraus sehr vertraut, so dass er als „Brückenbauer" zwischen den Anforderungen des Produktionsbetriebs einerseits und den digitalen Lösungsangeboten seitens OBS andererseits ein idealer Kandidat ist. 

„Zu meinen Aufgaben gehörte das Verfassen sogenannter User Stories: das ist eine strukturierte, agile Methode, in der die NUTZER genau beschreiben, WAS sie ZU WELCHEM ZWECK brauchen". Diese User Stories sind Standard in der Formulierung von Anforderungen in den cross-funktional aufgestellten Scrum Teams. Wie die Anforderungen erfüllt werden können, wird bei dieser Methode nicht vom Nutzer beschrieben, sondern z.B. vom Digitalisierungsingenieur oder der IT-Fachkraft erarbeitet.

Konkret angewendet hat Mancilla-Pantoja zusammen mit Sandro Neuenfeldt, Digitalisierungsingenieur im Team, die Methode auf den Bereich der Big Bag-Abfüllung im POVAL-Betrieb als IoT-Projekt. Hier ging es darum, die Abfüllprozesse zu optimieren: „Wir wollen die Prozesssteuerung intuitiv gestalten, um Fehlsteuerungen minimieren", beschreibt er das Ziel des Projekts. „Bei dieser Prozessoptimierung haben wir die zentrale Plattform Thingworx genutzt, die Daten von Mensch und Maschine mit Hilfe von künstlicher Intelligenz vernetzt und miteinander kommunizieren lässt". Wichtig dabei war, den Bedarf der Produktionsleitung und der Kollegen in der Abfüllung als Nutzer und deren Ziele sehr detailliert zu erfassen, zu analysieren, zu priorisieren und verständlich in User Stories zu übersetzen. Eine Herausforderung dabei war die quasi zeitgleiche Umstellung der SAP-Software im POVAL-Betrieb, da die IoT-Anwendungen an einer SAP-Schnittstelle andocken. Der Koordinationsaufwand für den intensiven Austausch mit allen Beteiligten war hoch und kostete Zeit, die Pandemie war eine weitere Hürde, weil Ansprechpartner anders verfügbar waren als sonst. Doch die Mühe hat sich gelohnt: das neue Konzept für die Big Bag-Abfüllung steht und wird demnächst eingeführt. 

Welche Erfahrungen hat Fernando Mancilla-Pantoja in diesem interdisziplinären Projekt gemacht? „ Im Betrieb gibt die Anlage den Takt vor. Das war hier ganz anders: Ich hatte den Kopf frei für eigene Ideen, konnte mich voll konzentrieren auf das Projekt und in Abstimmung mit den Team-Kollegen gute Resultate schaffen. Die Zusammenarbeit war spitze. Zwar musste ich mich in die Besonderheiten des Abfüllprozesses einarbeiten, aber die Unterstützung von Gert Oelmeyer war mir dabei eine große Hilfe. Ich musste schon recht hartnäckig sein, um die erforderlichen Informationen von den Abfüllkollegen und anderen Beteiligten zu bekommen. Diese hatten nicht gerade auf mich gewartet, und auch durch die Corona-bedingten Abwesenheiten war es gar nicht so einfach, meine Ansprechpartner zu erreichen." Wie geht es weiter? „Der Prozessschritt der Rückfüllung soll ebenfalls optimiert werden, daran arbeite ich weiter. Und Thingworx könnte z.B. auch digitale Lösungen für andere Anwendungen im POVAL-Betrieb bieten." 

Was kann er anderen Kolleginnen und Kollegen mit auf den Weg geben, die auch über eine Erfahrung „Über den Tellerrand" nachdenken: „Man muss offen sein, sich auf andere Denk- und Arbeitsweisen einlassen und neugierig bleiben. Zuallererst aber muss es ein freiwilliges Projekt sein, denn wer nicht von sich aus interessiert ist, für den kommt es nicht in Frage."

„Fernandos Einsatz ist zugegebenermaßen kein typisches Projekt im Rahmen von „Über den Tellerrand", da es für einen längeren Zeitraum und mit höherem Komplexitätsgrad durchgeführt wurde als das unter diesem Namen ursprünglich angedachte Schnupperpraktikum zum kollegialen Austausch. Auch diente es einem sehr spezifischen Zweck. Dennoch ist es ein gelungenes Beispiel für die Vorteile cross-funktionaler Zusammenarbeit auf Projektbasis, und zwar für alle Beteiligten", so Dominique Buono, Personalentwicklerin.